Samstag, 8. August 2009

We, the people

Bei Reden von Politikern (und manchmal auch von Managern ;-) fällt mir die intensive Verwendung des Wortes "wir" in Zusammenhang mit Normen auf:
  • "wir müssen"...
  • "wir sollten"...
  • "wir haben"...
  • "wir brauchen"...
  • "wir werden"...
  • ...
Die Verwendung von klaren Begriffen, wie "ich", "die Fraktion", "die Parteiführung" oder eine Aufzählung, wer sich noch in dem "wir" aufhält (du und ich?), das wird weitestgehend vermieden. Genauso werden konkrete Zahlen oder Termine vermieden. Die verwendeten Begriffe werden möglichst nicht eingeführt oder definiert oder abgegrenzt. Im Gegenteil werden Begriffe neu erfunden, wie z.B. "Minus-Wachstum" oder "Kollateralschäden". "Passiert" dies in der Hoffnung, die Zuhörer mögen denken, was immer sie wollen - nur man sich nicht festlegt oder kontrollierbar wird.

Wer in den Sätzen jeweils "wir" sind, das wechselt intensiv:
  • Wir, die Bürger Hessens, abschätzig genannt "Steuerzahler", "Plebs" oder "Deppen", Antragssteller, Bedarfsträger, etc...
  • Wir, die Politiker, die Abgeordneten, die Kandidaten, von obigen demokratisch (!) auserwählt, über weiteres Leben, Wohl und Wehe nur dem eigenen (!) Gewissen verantwortlich, zu walten und zu schalten, meist aber um nur noch mehr und mehr Gesetze, Verordnungen und ähnlichen Mist zu produzieren, gigantische Diäten und Renten einzusacken, während die vielen dienstlich veranlassten Aufsichtsratsämter ja keinerlei Verantwortung beinhalten,...
  • Wir, die umfangreiche Regierung, Wasserkopf einer über alle Maßen aufgeblähten Verwaltung und Bürokratie, in luxuriösen Büros aufs Beste ausgestattet, versehen mit gläubigen und loyalen Staatssekretären, umschwärmt von den üblichen Speichelleckern und Jasagern, schwer "arbeitend", letztlich um Topklasse Dienstwagen auch im Urlaub zu nutzen,...
  • Wir, die Parteiführung, auserwählt aus den strebsamsten Mitgliedern unserer Partei, in zähem langjährigen Ringen mit Pinsel und Kleister gestählt, in Hunderten "Podiums-Diskussionen" gelangweilt, aufgestiegen in den Olymp mit eigenen Büros, Assistenten und Pressesprechern, verschont von jeglichem Realitätskontakt oder Internet-Verständnis.
  • Wir, die wir hier und heute zusammen rumstehen und einer Rede zuhören?
  • ...
Dieser Artikel erinnert mich an das Unbehagen, was mich immer befällt, wenn von interessierter Seite so schnell die Perspektive gewechselt wird. Er benennt die Quelle der staatlichen Gewalt, am Beispiel Constitution (USA)
We the people ...
wie auch Art. 20 Abs. 2 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland:
Alle (!) Staatsgewalt geht vom Volke aus
Dort ist nicht die Rede von einer führenden Partei, einem Glauben oder einer Weltanschauung, es wird auch nicht aufgeteilt, 5% Volk und 95% Parteien oder so.

Bei Manchen ist es Versehen, oft ist es Absicht. Da wird die "Lufthoheit über Stammtischen" gerade mal eben nach Gutdünken eingemeindet.

Alle sollten aufpassen, was geschied: diejenigen, die Zuhören ("die schweigende Mehrheit"), aber auch die Sprechen, sich oder ihre Positionen präsentieren und propagieren. Vor ca. 20 Jahren wurde das Volk unruhig und es wischte die anscheinend Herrschenden von den Trögen und den Rudern der Macht; ängstlich und mutig zugleich. In den letzten Jahren hat die "Partei der Nichtwähler" sehr viel Einfluss gewonnen: In diesem Lande, zu dieser Zeit wächst wieder die Wut und die Enttäuschung über die Führung - wohin wird sie sich kanalisieren?

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