Wir schaffen das liberalste Polizeigesetz, das es in Hessen je gegeben hat, und steigern gleichzeitig weiter die Sicherheit in Hessen“, so Wolfgang Greilich, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag.Bei Steigerungen möchte man gerne wissen, von welchem Wert welcher Größe und um wieviel auf welchen Wert gesteigert wird. Leider lässt die o.g. Pressemitteilung den geneigten Leser im Ungewissen.
Ob das neue HSOG tatsächlich liberaler ist, wie das erste hessische Gesetz nach dem Kriegsende möchte man bezweifeln, weil seitdem sich vieles (auch technisch) geändert hat. Es ist sicher liberaler, als es die hessische CDU allein hätte haben wollen - und das ist sehr gut so!
Der schwierigste und heikelste Fragenkomplex war: Wie können wir in Zeiten schier unendlich wachsender technischer Möglichkeiten sicherstellen, dass die Polizei auch vor raffinierten Überwindungsmechanismen nicht kapitulieren muss?Hä? Könnte hier ein Denkfehler vorliegen: die inzwischen schwarz-blaue Polizei möchte sicherlich die modernen Möglichkeiten zum Schutz der Privatsphäre überwinden, vor denen sie sonst kapitulieren müsste?!
Die FDP beobachtet, dass "Kapitalverbrecher" moderne Technik benutzen - erstaunlich, dass in Hessen Kapitalverbrecher noch frei herumlaufen können und moderne Technik nutzen, ohne dass die Polizei sie wieder hinter Gitter bringt, hinter die die Verbrecher ja wohl ein Richter schickte. Alle anderen sind erstmal "Verdächtige" und als unschuldig zu betrachten. Beobachtet ein Polizist eine Straftat, dann muss er einschreiten, für die Bestrafung der beobachteten Straftat sorgen (Anzeige, Staatsanwaltschaft) und so weitere Straftaten verhindern.
Die FDP-Hessen habe eine klare rechtliche Grenze gezogen, indem man auf dringenden CDU-Wunsch die neue "Quellen-TKÜ" einführt, d.h. bevor sich der Verdächtige eines Verschlüsselungsprogramms bedienen kann, wird aus der eigenen Tastatur das bisher geheime Passwort an die Polizei oder die Geheimdienste übermittelt. Wozu noch Verschlüsselung, wenn der Staat über Kopien der eigenen Passwörter verfügt? Somit ist den Ermittlungsbehörden schlicht jeder Bereich des Lebens zugänglich, sei es schriftlich oder (fern-)mündlich (und mit dem "Großen Lauschangriff" auch als Video in Farbe und live!).
Aktuell werden von der FDP Hessen weitere verdeckte ("Online"-)Untersuchungen der Datei-Inhalte der EDV des Verdächtigen abgelehnt. Diese Aufgabe kann dann der "Bundestrojaner" mit seinen Möglichkeiten für alle Sicherheitsbehörden übernehmen, auch diesen hat die FDP leider mitgetragen.
Es mag keine grundsätzlich neue Methode sein, aber es ist eine neue Qualität die dem Staat zur Überwachung seiner Bürger zur Verfügung gestellt wird, eine Nachrüstung gegen den verbesserten Schutz der bürgerlichen Privatsphäre der 6.000.000 Bürger gegen die Handvoll (?) OK und Terroristen.
Betroffen sind hier die privaten oder dienstliche EDV, bei den (Groß-)Providern und Telekommunikationsfirmen können die Behörden eh ein- und ausgehen, ohne auf größere Widerstände zu stoßen. Staatliche Netze stehen unter weiteren Eingriffs- und Kontrollmöglichkeiten, sei es in Schule, Universität oder Behörde oder Amt.
Problematisch erscheint auch der Hinweis auf die "Gefahrenabwehr", also auf eine verdeckte staatliche Überwachungstätigkeit VOR einer tatsächlichen Straftat. Diese Gefahrenabwehr solle darüberhinaus auch im Internetzeitalter gewährleistet werden, was m.E. bedeutet, dass den überwachten Bürgern ein (weiteres bisher ungeschriebenes?) Recht auf Gefahrenabwehr durch den Staat zustehen soll, wobei sich die Gefahrenabwehr nicht auf die staatliche Überwachung selbst bezieht.
Dieses anscheinende Gefahren-Schutz-Recht sorgt für eine Überwachungspflicht, der sich der hessische Staat unterziehen muss - dafür können weder amtierende CDU noch FDP etwas. Schuldprojektion als Quadratur des Kreises: Schutz der Bürger durch Überwachung der Bürger - Hallo, Orwell´sche Überwachungspirale?„Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“ (Benjamin Franklin)
Dass der notwendige Aufwand um so mehr steigt, je vollständiger man "Gefahren" ausschließen will, kann man an der (un-)bemannten Raumfahrt beobachten. Einen 100% Schutz der Bürger vor jeglichen Gefahren kann man eh niemals erreichen, man sollte es auch nicht probieren, sondern konkrete Kennzahlen festlegen und veröffentlichen. Vielleicht sollte man statt dessen den Bürgern offen sagen, welche Risiken tatsächlich (statistisch) vorliegen, diese in eine Beziehung zu anderen Risiken setzen und aufzeigen welche Risiken mit welchem vernünftigen Aufwand bereits begegnet wird?
Einen lobenswerte Abschluß bildet die herbeiverhandelte Akzeptanz, dass die üblichen Berufsgruppen (Geistliche, Abgeordnete, Rechtsanwälte, Journalisten) nicht so einfach komplett (Quellen-TK) überwacht werden dürfen. Das Arztgeheimnis ist leider noch nicht darunter, dies wurde von der hessischen CDU nicht geschluckt, damit der Staat bei Gesprächen zwischen bürgerlichem Patienten und dem Arzt weiterhin dabei sein darf!
Nachtrag1: Presseartikel
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