Montag, 3. Januar 2011

Dahrendorf-Kreis outet sich

Eine Gruppe in der FDP mit dem Namen "Dahrendorf-Kreis" outet sich und stellt hier ein Diskussionspapier vor. Also diskutieren wir:
Die FDP hat eine eigenständige Position im politischen Spektrum, die in den letzten Jahren programmatisch nur auf Steuersenkungen und andere wirtschaftspolitische Themen verkürzt wahrgenommen wurde.
Es wäre ja zu wünschen, wenn die FDP eine eigenSTÄNDIGE Position im politischen Spektrum hätte, aktuell scheint dies nicht so zu sein, sondern die FDP-Fraktion in Berlin spielt den Wurmfortsatz der Unions-Fraktionen. Der Autor bestreitet weiterhin die These, die aktuelle FDP-Programmatik bestehe ausschließlich aus Steuersenkungen. Steuersenkungen sind tatsächlich ein sehr sinnvolles Mittel vieler Verbesserungen in Staat und Gesellschaft, obwohl sie (absichtlich, böswillig) vielfach nur als ein Teil der liberalen wirtschaftspolitischen Vorstellungen wahrgenommen werden SOLLEN. Es ist bitter, wenn selbst FDP-interne Kreise und Gruppen dies so platt verstehen und sich den Sinn von Steuersenkungen nicht erschließen konnten.
Gesellschaftlicher Fortschritt erschöpft sich allerdings nicht in der Verwirklichung der totalen Freiheit des Marktes.
Für in FDP organisierte Liberale ist "gesellschaftlicher Fortschritt" nicht das Maß aller Dinge. Nach der hess. Satzung §1 ("Zweck") heisst es:
[Die FDP] vereinigt Mitglieder ohne Unterschied der Staatsangehörigkeit, des Standes, der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts und des Bekenntnisses, die beim Aufbau und Ausbau eines demokratischen Rechtsstaates und einer von sozialem Geist getragenen freiheitlichen Gesellschaftsordnung mitwirken wollen und totalitäre und diktatorische Bestrebungen jeder Art ablehnen.
Die Mitglieder der FDP haben sich dem Auf- und Ausbau des Rechtstaates verschrieben, einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung. Das Recht und die Pflicht der FDP-Mitglieder ist, sich im Gegenteil totalitäre und diktatorische Bestrebungen jeder Art abzulehnen. Es gab auf deutschem Boden bereits Vereinigungen und Parteien, deren vorgebliche Ziele ein idealistischer "gesellschaftlicher Fortschritt" war, deren durchaus totalitäre Ziele sich alle Bereiche menschlichen Zusammenlebens umfassten. Diese Bestrebungen sind eigentlich durch FDP-Mitglieder abzulehen. Es bleibt an dieser Stelle noch Geheimnis des "Dahrendorfer Kreises", wie sie zu den Beobachtungen kommen, die FDP strebe nach "totaler Freiheit des Marktes", obwohl doch die eine "soziale Marktwirtschaft" in der gesamten Geschichte Deutschlands für alle Bürger sich so gut bewährt hat.
Zu erwarten sind solche abstrusen und FDP-satzungswidrigen Vorwürfe und haltlosen Unterstellungen eher durch politische Konkurrenten vom äußeren Rand des linken Spektrums oder aus der von diesen gesteuerten (Partei)Presse.
Gesellschaftlicher Fortschritt ermöglicht Teilhabe für alle Mitglieder der Gesellschaft.
Der Dahrendorfer Kreis postuliert aus dem erwähnten "gesellschaftlichen Fortschritt" er "ermögliche" etwas für Liberale sonst selbstverständliches: Alle Bürger sind automatisch ein Teil der bürgerlichen Gesellschaft. Sie haben u.a. die Freiheit sich mehr oder weniger z.B. an der politischen Willensbildung zu beteiligen, z.B. durch Mitgliedschaft in irgendeiner Partei. Sie haben jederzeit das Recht (und nach der hess. Verfassung auch die Pflicht) an der gesellschaftlichen Arbeit teilzunehmen. Jeder Bürger kann sich beteiligen, er oder sie muss sich aber nicht beteiligen, wenn sie nicht wollen - auch das ist die bürgerliche Freiheit. M.E. muss eine "Teilhabe" nicht ermöglicht werden, weil sie für jedermann und jederzeit und überall möglich ist.  Deshalb braucht es auch keinen extra "gesellschaftlichen Fortschritt".

Die Gesellschaft verändert sich täglich, stündlich, minütlich, überall - ob sie sich vor- oder zurück-, ob sie sie auf- oder abwärts oder seitwärts entwickelt - wer kann das beschreiben? Welcher Liberale ist so vermessen EINE VORWÄRTS-Entwicklung für eine ganze Gesellschaft zu planen, zu WOLLEN? Es graust einen beim Lesen.
Wirtschaftliche Freiheiten zu gewähren und zu sichern gehört zu unseren Grundwerten und ist eine wichtige Säule der FDP. Aber richtig verstandener Liberalismus steht für viel mehr: Toleranz, Rechtsstaatlichkeit, Bürgerrechte, Generationengerechtigkeit, Eigenverantwortung sowie ökologische und soziale Marktwirtschaft.
Liberale meinen normalerweise, dass Freiheiten nicht vom Staat oder von Parteien gnädigerweise "gewährt" werden, sondern ein integraler Bestandteil der unteilbaren und unveräußerlichen Menschenrechte SIND. Man ist froh, dass der Dahrendorf-Kreis dies auch zu den Grundwerten zählt.

Der nächste Schlag folgt sogleich. Der Dahrendorfer-Kreis meint zwischen "Liberalismus" und "richtig verstandenem Liberalismus" unterscheiden zu müssen - das ist nicht besonders liberal, sondern eher ein bewährter Trick der bekannten K-Gruppen: Man definiert selbst, was "richtig" und was "nicht-richtig" ist, ist "In-Group" und alle anderen (FDPler) sind "Outgroup". Sind nicht-Dahrendorf-Kreise der FDP also...
  • nicht für Toleranz, 
  • nicht für die satzungsgemäßen Rechtsstaat, 
  • nicht für generationenübergreifende Gerechtigkeit (was immer das sein soll),
  • nicht für Eigenverantwortung, 
  • nicht für die bewährte soziale Marktwirtschaft?
Es bleibt der relativ neue Begriff "ökologische Marktwirtschaft". Dies ist ein Begriff, den man bisher nur von den (roten) Grünen kennt. Wirtschaften heisst einteilen, die bewährte Marktwirtschaft benutzt zur Bestimmung der Preise, Güter und Dienstleistungen den Markt zur Abstimmung der subjektiven Bedürfnisse aller Bürger, die natürlich auch religiöse, soziale und auch ökologische Vorstellungen abklären und abstimmen. Dazu braucht es keinen Kreis, keine Gruppe, keine Partei, keine Politiker und schon gar keinen teuren Staat oder bürokratische Behörde. Ihre eigenen Bedürfnisse vortragen, vertreten und befriedigen konnten die Bürger schon immer, das können die Bürger selbst am Besten und sie werden es immer können.
Die FDP muss wieder an den Punkt kommen, an dem sie es glaubhaft schafft, diesen roten Faden ihrer Politik zu vermitteln. Liberale Politik hat eine Geschichte - und die FDP muss diese erzählen, sonst erzählt eines Tages die Geschichte von der FDP.
So wahr es ist, dass die FDP wieder glaubhaft werden muss, so wichtig ist, dass der erkennbare Faden nicht der vierte oder fünfte ROTE Faden in der deutschen Parteienlandschaft ist, sondern ein ganz klar (GOLD-)gelber Faden. Die Geschichte der Liberalen ist lang und verworren - es wäre schön, wenn die verschiedenen Strömungen, Schwerpunkte sich wieder zu einem schönen, dicken Faden ergänzen, statt sich gegenseitig zu schwächen und abgrenzen zu wollen.

Update/Ergänzung 1: ----------------------------------------------------------->>
Der Dahrendorf-Kreis beabsichtigt nicht, Fraktionsbildung innerhalb der FDP zu leisten. Machtkämpfe interessieren uns nicht, auch an der aktuellen Personaldebatte wollen wir uns ausdrücklich nicht beteiligen. 
Es ist schön, dass Fraktionsbildung nicht beabsichtigt ist - ausschließen wird man sie nicht können. Da hilft es ungemein, sie offiziell nicht gewollt zu haben. Was "leisten" damit zu tun hat? Auch Machtkämpfe interessieren nicht - puh! Obwohl natürlich die innerparteilichen Wettkämpfe um die begrenzten Posten und die dafür notwendigen Kämpfe erst den Sinn einer Partei ausmachen.
Der Autor begrüßt, dass man sich an einer Personaldebatte nicht beteiligen möchte.
Wir brauchen in der Politik wieder mehr Menschen, die für ihre Überzeugungen einstehen und eine innerparteiliche Debatte konstruktiv zu führen wissen. Der Dahrendorf-Kreis ist deshalb für alle offen, die den ganzheitlichen Liberalismus als gesellschaftliche Idee auf Basis der nachfolgenden Grundsätze verwirklichen möchten.
Der Autor unterstützt auch die Ansicht, dass es mehr in der Politik tätige Menschen braucht, die für ihre Überzeugungen einstehen. Weicheier und Nacktschnecken haben wir wahrlich genug, die nicht durch eigenes Gewissen bei Abstimmungen auffallen.  Leider werden gleich Bedingungen gestellt: Man muss nach den Kriterien der Dahrendorf-Kreises "konstruktiv" zu führen wissen - es gibt einen Initiationsritus.
"Offen" ist man nur für "ganzheitlichen" Liberalismus - die Bullshit-Bingo-Glocke wackelt. Wenn der Dahrendorf-Kreis'sche Liberalismus ganzheitlich sein soll, was ist dann der Liberalismus des "Schaumburger Kreises"? Löchrig? Quadratisch? Eine Internetseite meint:
Das Gegenteil von GANZHEITLICHKEIT ist lückenhaft, stümperhaft, unvollständig, diletantisch, mit ursächlichem Nichtwissen und mit Fehlern behaftet.
Dies klingt nicht zu einer toleranten Diskussion unter Gleichgesinnten.
  • Freiheit ... Gleichheit ...
  • Arbeit ... Kapital ... 
  • Vordenker ... 1960er ... aktuell
  • Lord Dahrendorf steht mit seinem Namen ...
  • Überzeugungen stehts treu geblieben ...  über Jahrzehnte hinweg weiterentwickelt

Wird fortgesetzt

1 Kommentar:

  1. Die Vorstellung, die Welt wie Knete formen zu können, ist weit verbreitet. Komme gerade von der Gewerkschaft. ;-)

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