Sonntag, 17. Oktober 2010

Hurra - wir leben noch

Der FDP-Pressestab hat ein Interview vereinbaren können. Aus dem Tagesspiegel erfährt das geneigte Publikum neues über unseren FDP-Vorsitzenden, Vizekanzler, Bundesaußenminister, MdB, Rechtsanwalt Dr. jur. Guido Westerwelle:
"Wir werden in ganz Europa beneidet"
Die Zeitung vermeldet ganz glücklich: "FDP-Chef Guido Westerwelle spricht mit dem Tagesspiegel über [1.] Aufschwung, [2.] Umfragen und [3.] die Lage der Koalition nach dem ersten Jahr.".

Dabei stellt sich gleich die erste Frage: Was ist ein "FDP-Chef" und was unterscheidet einen "Chef" vom "Bundesvorsitzenden"? Könnte der Unterschied darin liegen, dass jemand glaubt, wenn er "Chef" sei, würde er und nur er allein die Richtlinien der Organisation bestimmen, für die er "cheft"?
Leider kennt die FDP-Satzung keinen "Chef" und der tatsächlich erwähnte, notwendige FDP-Vorsitzende hat neben ein paar unbedeutenden Pflichten zwar weitreichende, aber nicht allmächtige Rechte.
Nehmen wir vereinfachend an, dass es sich um ein Versehen, eine Abkürzung des ausgewählten Qualitätsjournalisten oder seiner "Redaktion" handelt. Die Generation Praktikanten muss ja irgendwas zu tun bekommen. Wir betrachten auch nicht die vermeindliche Notwendigkeit, sich für einen fälligen Statusreport der (wohlmeinden?) Presse zu bedienen, wenn man auf die Adressdaten aller FDP-Mitglieder zurückgreifen kann. Die Presse wird sich schon nicht trauen, den edlen Worten etwas hinzuzufügen oder etwa etwas wichtiges wegzulassen. ;-)

Freuen wir kleinen Leser aus dem deutschen Volk also über die Aussagen zum für die Regierung gänzlich unerwartet eingetroffenen "Aufschwung", der bei jeder nicht ganz so verzweifelten Regierung als Stagnation bezeichnet werden müsste. Nehmen wir es wohlwollend als Euphemismus
Einleitend wird der strahlende FDP-"Chef" in Erinnerung gerufen. Sicherlich war Dr. Westerwelle zum damaligen Zeitpunkt über die erarbeiteten Koalitionsvereinbarungen stolz, auch die FDP-Delegierten haben sie ja in Rekordzeit und völlig einstimmig gebilligt. Leider war Dr. Westerwelle zu dem Zeitpunkt erkrankt, aber für die FDP-Führung so unentbehrlich, dass er selbst den Wahlkampf und die Koalitionsverhandlungen mit der Union durchführen musste. Die Zeitung bohrt ein wenig nach:
Der Koalitionsvertrag gilt als eigentliche Ursache für das anfängliche Chaos der schwarz-gelben Regierung. Warum haben Sie sich seinerzeit auf eine Vereinbarung eingelassen, die in zentralen Punkten wie der Steuerpolitik so vage blieb, dass beide Partner sie unterschiedlich deuten konnten?
Dr. Westerwelle (Jurist!) antwortet nicht, er weicht der Frage aus. Enthält die Frage vielleicht eine böswillige Unterstellung? Ist der Koalitionsvertrag in der Realität mit belastbaren, klaren Zielen der Partner ausgestattet oder eher lockere Absichtsauflistung und rund 78 Prüfungsaufträge umfassend, z.B. bei der Internet-Zensur durch Bundesinnenministerium über das willige BKA und die sich abbiedernden Großprovider? Wie auch immer, Dr. Westerwelle hält dagegen:
Der Koalitionsvertrag war und ist die Grundlage für die erfolgreichen ersten zwölf Monate dieser Regierung.
Warum sollte man auch auf das anfängliche Chaos der schwarzen Regierung eingehen? Warum sich im eigenen Interview, in der kurzen Zeit mit solchen Nebensächlichkeiten beschäftigen, wie  z.B.
  • die "plötzliche" Erkenntnis, dass alle großen deutschen Banken vor dem Ruin stehen, 
  • dass alle südlichen Euro-Länder vor dem Scherbenhaufen ihres schuldenfinanzierten Sozialismus stehen?
  • Das der Bundeshaushalt und dessen Einnahmeplanungen ("leider") überhaupt keine Steuersenkungen zulassen
Nein, Dr. Westerwelle postuliert einfach den Koalitionsvertrag zur Grundlage der erfolgreichen ersten zwölf Monate dieser Regierung. Sollen wir es nochmal sagen? Der Koalitionsvertrag war und ist die Grundlage für die erfolgreichen ersten zwölf Monate dieser Regierung. Wenn man es mehrfach liest, dann wird es WAHR! Also: Der Koalitionsvertrag war und ist die Grundlage für die erfolgreichen ersten zwölf Monate dieser Regierung. Der Koalitionsvertrag war und ist die Grundlage für die erfolgreichen ersten zwölf Monate dieser Regierung.
Heute steht das Land weit besser da als vor einem Jahr. Um unser deutsches Wirtschaftswunder werden wir in ganz Europa beneidet.
Dr. Westerwelle, der schlaue FUCHS,  benutzt einfach einen üblichen, juristischen Winkelzug und baut eine gläserne Brücke vom unangenehmen Thema zu einem anderen Thema, dass zu diesem Zeitpunkt gar nicht zur Debatte steht: Der eigentlich als drittes Thema des Interviews angedachte "Aufschwung" wird hervorgeholt und an dem seeligen Ludwig Erhard vorbei zum "Wirtschaftswunder" aufgeblasen. Wer hat's erfunden? NICHT die Schweizer! Naa? Wer war's? Genau - der unbedarfte Leser soll hier wohl in eine kleine Denkfalle gehen und zum (Fehl-)Schluß kommen: Wir war'n's! Unter der überragenden Führung von??
In der Realität hat weder der Sachverstand der angeblich besten Wirtschaftsweisen die schwarze Regierung vor ihrem scheinbaren Erfolg gewarnt, noch die vielen Statistiken, die die schwarze Regierung von den Unternehmen und den Bürgern dieses, UNSEREN Landes mit viel Zeit und Mühe anfertigen lässt.
Peng! Aufschwung! Boah! Und keiner hat uns vorgewarnt! Die jetzige Regierung hatte leider kaum Zeit sich dieses unverdiente Glück als eigene Leistung in die teuren Hochglanzprospekte zu malen. Da kommt der Qualitätsjournalist (bestimmt ein Kommunist!) wieder um die Kurve und fragt schon wieder impertinent inquisitorisch unerwartet aber leicht ungläubig "nach":
Sie meinen, die Deutschen haben den Aufschwung Schwarz-Gelb zu verdanken?
Was für Leute dürfen heutzutage alles einen Bundesaußenminister interviewen?! Das muss ein Praktikant gewesen sein, bestimmt von der Linken oder so! Unglaubliche Frechheit! Aber unser großzügiger FDP-Vorsitzender tritt vornehm hinter die Bürger in die zweite Reihe und spricht:
Fleißige Bürger haben sich diesen Aufschwung erarbeitet. Aber die ausgezeichnete Lage ist auch das Ergebnis unseres Politikwechsels.  
Ja, obgleich Nein, wenn aber doch, dann vielleicht! Dr. Westerwelle räumt also ein, dass er bzw. die Regierung meint, dass sie selbst bzw. "Schwarz-Gelb" (was auch immer das sein soll) für das "Aufschwung"chen mitverantwortlich ist. Dr. Westerwelle lässt klugerweise offen, um es sich um einen Anteil wie die CO2 an der Atemluft handelt (0,038 %, Quelle). Dann legt er mit Knallgas (Fakten) nach:
Wir haben gleich zu Beginn des Jahres [2010] die Bürger, insbesondere die Familien und den Mittelstand, um rund 25 Milliarden entlastet. Allein die Erhöhung des Kindergeldes hat einer vierköpfigen Familie 480 Euro mehr im Jahr gebracht.
25 Mrd.€ Entlastung das ist schon was. 25 Mrd.€ bleiben dort, wo sie erarbeitet werden. Das ist gut, das ist richtig. Schade nur, dass es ursprünglich hieß, die Bürger würden jährlich um (weitere) 25 Mrd.€ entlastet.
Was bedeutet jetzt "entlastet" genau? Der Staatshaushalt wächst munter weiter, die staatliche Verschuldung wächst munter weiter. Der wesentlich mehr schwarze wie gelbe Bundesfinanzminister "ich vertraue ihm" Dr. Schäuble muss für den Bund die größten Neuverschuldungen aufnehmen, die es je gab. Eigentlich könnte man sagen, dass der Bund auf bei bestehenden Erhöhungen auf zusätzliche Erhöhungen von 25 Mrd.€ verzichtet. Netto bleibt dem Bürger nicht mehr, sondern er bekommt es nicht mehr abgezogen. Dankbarkeit wäre angebracht. Beachtenswert klar formuliert.
Auf diese Weise wurden Investitionen gefördert und die Binnenkonjunktur belebt.
Indem man den Leuten nicht noch mehr wegnimmt und ihnen für Konsum oder Investition lässt, "fördert" man, so Schwarz-Gelb?
Auch der Bund der Steuerzahler hat festgestellt, dass die Bürger in diesem Jahr zehn Tage weniger für den Staat und zehn Tage länger für sich selbst arbeiten.
Das stimmt und das ist klasse!
Das alles zeigt: Der Politikwechsel weg vom Staatsinterventionismus und der Subvention von Großindustrien hin zur Förderung des Mittelstandes und der Familienbetriebe war eine Wohltat für unser Land.
Die Wohltat war aus FDP-Sicht leider sehr klein, sie hätte wesentlich größer sein sollen und für die Entwicklung stärker sein müssen. Die eingeschlagene Richtung ist durchaus richtig und sollte nach einem vertanen Viertel der Legislaturperiode nun endlich mit der Kraft angegangen werden, mit der sich die CDU immer so groß an die Mutterbrust schlägt.

Der Autor möchte es mit diesen postiven Worten belassen...und wünscht weiterhin schöne Träume und sanftes Erwachen.

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