Dienstag, 11. Mai 2010

Zum Selbstverständnis von Führung

Die neue FDP-Fraktionsvorsitzende Homburger spricht u.a. zum Thema "Führung"
Wichtiger ist mir die Tatsache, dass ich die mit 93 Abgeordneten größte Fraktion führe, die wir Liberalen jemals hatten. Das gibt uns die Gestaltungsmacht, dafür zu sorgen, dass aus den Vereinbarungen des Koalitionsvertrages auch Gesetze mit liberaler Handschrift werden - so wie beim Wachstumsbeschleunigungsgesetz.
Eine Fraktion von 93 besonders freien Bundestagsabgeordneten zu führen, ist sicherlich keine einfache Aufgabe, für die Fr. Homburger kandidierte und auch gewählt wurde.

Unterschiede

Was ist bei der Führung einer Gruppe der Unterschied zwischen einer gewählten Führung und der Führung durch Einstellung von Untergebenen?

a)
Letztlich ist auch eine Partei ein Verein, d.h. er existiert für seinen Gesellschaftszweck durch den Willen seiner Mitglieder. Die Mitglieder wählen jemand, der außerhalb der Mitgliederversammlungen die täglichen Geschäfte FÜHRT, gemeinhin einen "geschäftsführenden Vorstand" genannt. Die gewählte Führung hat innerhalb des Rahmens der von den Mitgliederversammlungen (LPT, Bundesparteitag) bestimmten Ziele, Aufgaben, Aufträge zu handeln. Entscheidungen der Führung müssen sich in diesem Rahmen bewegen, sie ersetzen für wichtige Themen nicht die Mitgliederversammlung.

Was hat also der oder die {Bundes-|Landes-|Kreis-|Orts-|Fraktions-} Vorsitzende für eine Hauptaufgabe? Die offiziellen Ziele der Mitglieder zu erfüllen, also eine eher passive Rolle. Sie sind den Mitgliedern und ihren Vertretern ("Delegierten") Rechenschaft pflichtig.

b)
Eine von den Gesellschaftern / Kapitaleignern bestimmte Führung herrscht und bestimmt im Rahmen des Geschäfts. Sie setzt selbst die Ziele, verteilt Aufgaben der Mitarbeiter. Sie ist den Mitarbeitern keine Rechenschaft pflichtig, sondern den Kapitalgebern. Was die Mitarbeiter denken, wollen, brauchen ist dort weniger wichtig.

Realität

Man könnte den Eindruck bekommen, dass das Führungspersonal in Deutschland den Blick für die Realitäten in den vielen Jahren irgendwann verloren haben. Sie benehmen sich,
  • als wären sie selbst und alleine die Eigentümer der Organisation, 
  • als könnten sie alle Entscheidungen ohne Rücksprachen selbst treffen
  • als wären sie unfehlbar, bräuchten also ihre Entscheidungen weder vorher abzusichern, zur Entscheidungsfindung nicht zu dokumentieren und nachher nur abnicken zu lassen
  • als wären die Mitglieder nützliche Narren, die nur zufällig und indirekt an der Organisation beteiligt sind und die man gänzlich ignorieren kann
  • als wären die Bereiche oder Abteilungen kleine Spielwiesen, die man gegeneinander aufhetzen kann, deren Zusammenarbeit man sabotieren kann
  • ...
Wenn das Verhalten der Führung einem Mitglied nicht passt, dann kann das einzelne kleine Mitglied oder der Delegierte ja gehen, die neue Führungsaristokratie ist sakrosant und steht über der Satzung, dem Zweck. So entstand z.B. die WASG.

Wie konnte es zu dieser herrlichen Katastrophe kommen?

Haben Generationen von Delegierten sich kaufen lassen oder waren sie unfähig die richtigen Fragen zu stellen und kompetente (Personal-)Entscheidungen zu treffen? Wie können Delegierte innerhalb von 24 Stunden z.B. eine 124-seitige Koalitionsvereinbarung wirksam sichten, ein Verständnis für die gewählten Begriffe und Formulierungen entwickeln und dann einstimmig abnicken?

So bekommt eine Partei auch die Delegierten, die sie sich verdient, wie sie auch die Führung bekommt, die sie verdienen. Ob in einer politischen Partei, ob bei einer Gewerkschaft, ob bei den Banken, auf jeder Ebene das Gleiche.

Die Hoffnung bleibt, das es nicht so bleiben muss, sondern noch immer die Möglichkeiten bestehen, diesen Schindluder endlich zu beenden.

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