Sonntag, 12. Juli 2009

Expertokratie und die Weisheit der Massen

In manchen Pressemitteilungen findet man den Hinweis "nach Ansicht von Experten" als vermeindliche Erklärung warum etwas sein oder werden soll. Ein aktueller Fall benutzt die Formulierung "Regierungsberater" als Eyecatcher. Was soll das sein, ein "Experte"?

In der zunehmend Arbeitsteiligen Gesellschaft kann heute niemand mehr in alle Gebieten sich soweit einarbeiten, dass er sich Experte nennen kann - der "Universalgelehrte" ist unmöglich geworden. Selbst in einem Gebiet, z.B. einer Wissenschaft sind die Wissensgebiete so vielschichtig, dass "Experten" meist nur einen Teilbereich kompetent vertreten können.

Andererseits müssen von "Normalsterblichen" , wie z.B. Bundestagsabgeordneten ("MdB") eine Reihe von Entscheidungen getroffen werden, ohne das diese das jeweilige Themen-Gebiet überschauen. Also lassen sie sich helfen und bei der Entscheidungsfindung (gegen Geld?) "beraten", voilà die Aufteilung zwischen "dem Berater" und dem Beratenen. Wie ist die Rollenaufteilung genau?

Der zu Beratende bringt ein Thema oder eine Entscheidung mit, zu er der sich Hilfe und/oder Rat einholen möchte. Manchmal soll der Rat "unabhänigig" oder "neutral" sein, manchmal besteht der Wunsch nach einem "Gut-Achten" oder einem "Schlecht-Achten". Der zu Beratende sucht sich einen Berater, Berater bewerben sich um die Aufgabe zu beraten. Die letztliche Entscheidung bleibt beim Beratenden, er muss die Entscheidung später treffen und muss die getroffene Entscheidung auch verantworten - z.B. gegenüber seinen Geldgebern ("Volk", Aktionären, Chefs).

Der Berater bringt entweder Wissen über das betroffene Thema oder einen besondere Technik der Wissensermittlung oder Verarbeitung mit. Nach Auftragserteilung schuldet er dem Auftraggeber die vollständige Loyalität. Er hat die Verantwortung, dem Beratenen alle notwendigen Informationen geeignet zu geben und aufzubereiten. Er trifft nicht die Entscheidung, sondern bereitet sie vor. Er verantwortet nicht die daraus folgenden Entscheidungen, sondern nur für die Qualität des der Beratung selbst.

Probleme treten auf, wenn das betreffende Thema nicht genau beschrieben, nicht abgegrenzt ist, was öfters mal vorkommt. So könnte der Berater sich in einem Gebiet tummeln, dass nur am Rande mit dem eigentlichen Thema verwand ist, und zu Entscheidungen raten, die beim eigentlichen Thema nicht helfen.

Hier scheint es keine "Best practice" zu geben, wie man die eigenen Ziele formuliert, wie man Berater findet, auswählt und sauber beauftragt und letztlich den Erfolg kontrolliert.
Kann man ja auch von einem "repräsentativen" Durchschnitt der Bevölkerung nicht verlangen, dies zu können. Andererseits wird ja (leider) nicht jedesmal der Bundestag mit neuen Leuten besetzt - es gibt "Altgediente", die das politische Geschäft schon seit Jahren teilweise seit Jahrzehnten betreiben. Dass sich diese nach einer Pleite, die einer anderen Pleite folgte, nicht selbst aus der Politik zurückziehen, ist schon ein eigenes "starkes Stück" und hat sicher damit zu tun, dass sie nicht ihr eigenes Geld verschleudern und verschwenden.

Es wird Zeit, dass eine neue Garde antritt, die die gemachten Erfahrungen ihrer Vorgänger endlich mal systematisch auswertet und für die Zukunft schlicht die gleichen Fehler vermeidet, sondern neue und nur ihre eigenen Fehler macht. So wird auch die Politik und der Staat in Deutschland in einen "kontinuierlichen Verbesserungsprozess" (KVP) eingebunden, wie er sich z.B. in der Industrie schon lange bewährt (Stichwort ISO9000).

Es wird Zeit, dass die Gründe für oder gegen bestimmte Entscheidungen offen gelegt und dokumentiert werden, damit sie jeder Bürger vorher und nachher nachlesen kann und auch zu einer eigenen Erfolgskontrolle nutzen kann.

Es wird Zeit, dass Entscheidungen weniger in Hinterzimmern, Klüngel- oder Kungelgruppen oder bei (geheimen) Treffen vorbereitet oder sogar getroffen werden, die "offizellen" Wege, wie die Diskussion im Plenum des Bundestages oder Landtages, umgangen werden oder nur noch "dokumentierend" genutzt werden.

Bestimmt werden "die Massen" zu Gründen, Gegenargumenten und Zielen selbst etwas zu sagen haben. Mancher Kommentar wird wirr sein, mancher hirnrissig, manche Argumente kommen mehrfach und sind längst abgehakt. Aber: vieles wird weitere Aspekte aufzeigen, auf die man selber oder alleine nicht gekommen wäre. Die Entscheidungen werden runder, ausgewogener, durchdachter... (ich würde gerne in viele Überlegungen die Frage beisteuern: "Was wird das kosten - jetzt, morgen, wenn wir es wieder abschaffen wollen").

Für weitere Überlegungen zur direkteren Demokratie empfiehlt sich sehr das Buch "Weisheit der Vielen", z.B. hier.

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